Nordkapp 2000 - Reisebericht

Eigentlich wollte ich immer schon mal zum Nordkap, aber nachdem ich 1977 mit einem Schulfreund und dessen altem Käfer immerhin bis auf die Höhe von Trondheim kam, habe ich nur den einen oder andern Familienurlaub in den südlicheren Teilen von Schweden und Finnland gemacht.

Als ich 1999 einen Kollegen mit den gleichen Interessen fand, war der Entschluss für eine gemeinsame Tour zum Nordkap schnell gefasst. Da wir beide im Bezug auf Motorradreisen Neulinge waren, hatten wir mit der Vorbereitung gut zu tun, bis es Ende Mai 2000 endlich losgehen konnte.

meine Zephyr 750 Jochens F650


Sonntag, 28.05.00

Abfahrt in Wuppertal-Ronsdorf kurz nach sechs. Es ist windig und regnerisch. Wir fahren im Schnitt 110, ab 120 fängt Jochens F650 an zu schlingern. Ich habe nach einiger Zeit Probleme mit dem Sitzen (hätte die Bank meiner Zephyr doch besser aufpolstern lassen sollen).

An der dänischen Grenze fragt uns der Zöllner, wohin. "Nordkapp". Er schaut mitleidig bis verständnislos. Bis ich meinen Personalausweis unter dem Regenzeug hervorgekramt habe, hat sich hinter uns eine Schlange von 10 Autos gebildet.

Abends um acht in Hirtshals erstmal Suche nach einer Tankstelle.

Color-Line-Terminal in Hirtshals

Montag, 29.05.00

Die Nachtfähre nach Kristiansand hat Verspätung wegen des Sturms. Statt 1:15 legen wir erst um halb 5 ab. Inzwischen haben wir in kleinen Etappen im Terminal auf Sesseln und auf dem Boden geschlafen, später auf dem Schiff genauso (machen alle so). Morgens bei der Ausfahrt in Kristiansand winken die freundlichen Zöllner alle Biker durch. Passkontrolle mit Personalausweis aus- und wiedereinpacken und womöglich Helm abnehmen wäre ja auch ganz schön zeitaufwendig.

in Kristiansand

Nach ein paar Fotos von Schiff und Hafen sowie dem üblichen Krosen im Gepäck geht es auf die Straße 37 Richtung Stavanger. Ein Tunnel folgt dem andern mit Steigungen, Gefälle und Kurven drin, anfangs ganz schön spannend. Wir halten uns penibel an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Folge: Die Einheimischen drängeln hinter uns. Wir fühlen uns von einem riesigen Lastzug regelrecht gejagt. Ich versuche das Tempo 5 bis 10 km/h über den erlaubten 80 zu halten. Da ist man auf den kurvigen Straßen schon ganz schön gefordert. Als Jochen eine Weile vorfährt werde ich müde. Dann bin ich wieder vorn und sofort hellwach.

Die Landschaft ist gigantisch, selbst an der Europastraße. Felsen, Wasser, Berge, malerische Täler mit ein paar Holzhäusern, sieht fast kitschig aus. Übrigens: Was die hier Europastraße nennen, entspricht einer mittleren Landstraße im Sauerland.

Wir zweigen ab auf eine kleinere Straße, dann auf eine noch kleinere mit dreistelliger Nummer. Es geht steil bergauf, kurvig, eng, fast kein Verkehr mehr. Die Landschaft wird karg und einsam. Dann Schafherden, erinnert mich an die Alpen. Es ist sehr windig geworden, schwer, das Tempo zu halten, aber wir wollen ja irgendwann mal ankommen. Endlich bergab zum Högsfjord. Fähre bezahlen, kommt in 20 Minuten. In Norwegen fahren Mopeds übrigens an der wartenden Autoschlange vorbei und stellen sich davor. Die Überfahrt dauert nicht lang. Runter von der Fähre, nur noch 25 km bis zum Preikestolen, unserem ersten Ziel.

Wir fahren so weit hinauf wie möglich. Die Jugendherberge ist geschlossen, also runter zum Campingplatz, doch der hat keine Hütten. Bei dem Wetter wollen wir nicht zelten. Unten im Dorf sind alle Hütten belegt, unter anderem von drei holländischen Bikern. Die Leute vom Campingplatz sind sehr nett. Sie vermitteln uns telefonisch eine Hütte in Jörpeland. Also nach Jörpeland. Die Hütte geht so, Betten etwas schmuddelig, Toilette eng, Dusche stinkt. Ich dusche hier jedenfalls nicht. Und das ganze für 250 Kronen. Aber Hauptsache, ein Dach über dem Kopf.

Dienstag, 30.05.00

Ordentlich ausgeschlafen brauchen wir erstmal viel Zeit zum packen, tanken, Öl nachfüllen etc. Dann frühstücken wir beim Campingplatz am Preikestolen, wo wir auch unser Gepäck unterstellen dürfen, und brechen erst sehr spät auf.

Preikestolen Preikestolen über den Preikestolen in den Lysefjord

Der Fußweg zum Preikestolen zieht sich über zwei Stunden. Der Felsen ist imposant, ebenfalls die Aussicht von dort auf den Lysefjord. Wir kommen erst um halb fünf zurück. Da lohnt es nicht mehr, weiterzufahren. Also bauen wir hier zum ersten Mal das Zelt auf. Ein älteres Ehepaar - die Frau stammt aus Langenberg - vertreibt uns dabei die Zeit mit seinen Skandinavien-Erfahrungen. Das Kochen mit dem Camping-Gaskocher klappt prima. Die Duschen des Campingplatzes sind hervorragend.

Camping am Preikestolen

Mittwoch, 31.05.00

Gut geschlafen, schlecht aufgewacht vom Regen auf dem Zelt. Wir machen noch einen Nescafe und packen zusammen. Das Zelt ist schnell abgebaut. Der Regen hat ein kleines Päuschen eingelegt. Die Holländerin vom Zeltplatz winkt zum Abschied.

Heute wollen wir mal ein ordentliches Stück fahren. Nach kurzer Zeit setzt der Regen wieder ein. Wir fahren stundenlang im strömenden Regen, haben kaum noch einen Blick für die Landschaft. Wir erreichen die Schneegrenze. Kurze Fotopause, dann weiter. Auf der ganzen Strecke viele Tunnel, meist unbeleuchtet. Am Wasserfall Latefoss fährt Jochen achtlos vorbei. Ich halte trotzdem. Da sind auch wieder die drei Holländer vom Preikestolen.

Latefoss

Wir finden eine Hütte in Lofthus nördlich von Odda. Die Anlage ist gepflegt, aber die Hütte zu klein, um das ganze Gepäck mit hineinzunehmen.

Die Anlage ist fest in deutscher Hand: Unten ein Aachener mit einer GS 1100, den wir schon auf der letzten Fähre gesehen haben, sonst alles deutsche Autos und ein Holländer. Jochen trocknet seine Handschuhe im Luftstrom des Handtrockners auf der Toilette.

Jochen hat bei den Nachbarn mit dem Audi Quattro aus Stade einen großen Topf ausgeliehen. Seine Schnellgerichte in der Aluschale passen nicht in mein Camping-Kochgeschirr.

Donnerstag, 01.06.00, Himmelfahrt

Wegen des Feiertags kriegen die Nachbarn aus Stade keine Brötchen zum Frühstück. Es ist trocken, wir kommen zeitig los. Der Mann an der Rezeption gibt mir Tips zu Fähren und zum parken am Vöringsfossen, unserem nächsten Ziel. Wir fahren am Fähranleger in Brimnes vorbei. Dort wartet der Aachener mit der GS 1100. Auf dem Weg zum Vöringsfossen ein Tunnel am anderen, ziemlich steil aufwärts. Der Vöringsfossen ist der höchste Wasserfall Norwegens, schon beeindruckend, allerdings zu hoch, um ihn aufs Foto zu bekommen. Jochen plaudert mit einem Holländer vom letzten Hüttenplatz.

Eidfjord Vöringsvossen (196 KB!)

Wir müssen durch dieselben Tunnel wieder zurück. Jetzt setzen auch wir in Brimnes über. Wir erreichen gerade die 12-Uhr-Fähre. Dort treffen wir das ältere Ehepaar vom Preikestolen wieder. Auf der anderen Seite angekommen geht es gleich in den Valleviktunnel. Er ist 7,5 km lang. Nach jedem Kilometer zeigt ein Schild, wie weit es noch ist. Überhaupt ist heute unser Tunneltag. Völlig unvorbereitet trifft uns der 11,5 km lange Gudvangentunnel. Davon steht nichts in meinem Roadbook. Kaum haben wir ihn hinter uns, sind wir schon im nächsten "nur" 4,5 km langen Tunnel.

Wir kommen in Aurlandsvangen heraus. Im Ort halten wir, nach 16 km unter der Erde müssen wir uns erst mal orientieren. Da halten noch zwei deutsche Motorradfahrer. Es ist ein Pärchen aus dem Emsland; wir haben die beiden schon im Terminal in Hirtshals getroffen. Die Begrüßung ist herzlich. Wir tauschen Erfahrungen aus. Sie erzählen von 4 m hohem Schnee auf der vor uns liegenden Strecke.

Na dann los. An einer Engstelle auf der steil ansteigenden Serpentinenstraße kippe ich beim Rückwärtsrollen mein Moped um. Wir brauchen eine Weile, bis es wieder steht. Die Gewichtsverteilung mit dem vollen Benzinkanister obendrauf ist doch zu schlecht. Ist aber alles gutgegangen. Die Straße schraubt sich immer höher hinauf. Kurz vor der Schneegrenze wird nochmal der Blick hinunter in den Fjord fotografiert.

Dann wird es spannend. Der leichte Nieselregen geht in Schneeflocken über. Die einzelnen Altschneeflecken wachsen zu einer zusammenhängenden Decke zusammen und die wird immer höher. Auf der Straße dünner Schneematsch. Wenn das dicker wird mit den vollbeladenen Mopeds...? Endlich eine Bucht, wo wir halten können. Schnell werden Beweisfotos geschossen (Schnee 2 m hoch), dann nichts wie weg hier. Der Schnee wird immer höher. Tatsächlich über 4 m hohe Schneewände beiderseits der Straße, fast wie ein Tunnel. Wir haben weder Lust noch Gelegenheit, nochmal zu halten.

im Schnee

Die Abfahrt mit steilen Abschnitten auf Schneematsch ist unangenehm. Die erste Vegetation (natürlich Birken) sieht aus, wie gerade erst ausgeschlagen. Endlich stoßen wir wieder auf einen Fjord. Eigentlich müßte es links zur Fähre gehen (Revsnes-Kaupanger, wurde offenbar eingestellt). Stattdessen müssen wir nochmal durch 6 km Tunnel zur neuen Fähre. 50 m hinter der Fähre geht es erstmal wieder in einen Tunnel. In Sogndal finden wir eine schöne Hütte mit Blick auf den Sogndalsfjord.

Hütte am Sogndalsfjord

Freitag, 02.06.00

Der Nieselregen hört auf, die Sonne kommt raus. Von der anderen Seite des Fjords hört man das Rauschen eines Wasserfalls.

Wir versorgen uns erstmal mit Geld fürs Wochenende. Geld holen am Automaten in Sogndal klappt prima. Man braucht in Skandinavien eigentlich nichts als die normale EC-Karte mit PIN.

Nach dem Tanken gehts los. Natürlich regnet es wieder. Wir fahren rechts zum Fjord hinunter. Am gegenüberliegenden Ufer muß die Stabskirche von Urnes sein. Zu weit weg, wir können nichts erkennen. Also weiter. Bei dem Regen lassen wir sämtliche Möglichkeiten, einen Abstecher zum Gletscher Jostedalsbreen zu machen, links liegen.

Bald geht es immer weiter bergauf zum Sognefjell. Das soll der höchste Gebirgsübergang Europas sein. Das ganze erinnert mich an unser Schneeabenteuer vom Vortag. Auf einem Parkplatz treffen wir einen deutschen Reisebus. Die Leute bieten uns heiße Linsensuppe an. Sie wollen uns schon irgendwo in Deutschland auf der Autobahn gesehen haben.

Die schneebedeckten Gipfel verschwinden in den Wolken. Sonst hätte man hier wahrscheinlich den schönsten Blick in die Bergregion Jotunheimen.

Es geht weiter bergauf, wieder zwischen mehrere Meter hohen Schneemauern über eine scheinbar endlose schneebedeckte Hochebene. Irgendwo steht neben zwei Mülltonnen ein Schild: 1434 m über dem Meeresspiegel. Wird wohl der höchste Punkt der Straße sein. Also nochmal anhalten, Fotos machen. Meine Kameras werden im Schneegestöber naß. Kurz danach gehts wieder bergab. Es klart etwas auf, dafür wird es windig.

auf dem Sognefjell

Kurz vor Lom mehrere Kilometer Baustelle. Tempolimit 50, wir fahren 30. Trotzdem können wir nicht allen Schlaglöchern ausweichen. Hoffentlich halten die Mopeds das aus. In Lom werden sie erstmal inspiziert. Nichts passiert.

In Lom scheint die Sonne. Der Sturm hat die Wolken weggeblasen. Beim Tankstop erkundigen wir uns nach den Wetteraussichten. Es soll schlechter werden. Erst 15 Uhr. Wir wollen die Zeit nutzen und noch etwas weiter fahren. Fast hätten wir die Stabskirche in Lom vergessen, sie ist wirklich sehenswert. Also nochmal Fotopause, dann weiter. Bis Grotli sollten wir es noch schaffen, dort können wir uns ja eine Hütte suchen.

Stabskirche in Lom

Die Straße ist gut ausgebaut. Trotz des Sturmes können wir ordentlich gehen lassen. Bei Sonne sieht alles viel freundlicher aus und bei trockener Straße macht das Fahren richtig Spaß. Je weiter die Straße ansteigt, desto mehr zieht sich der Himmel zu. Der Regen hat uns wieder. Schon wieder geht es immer höher, schon wieder Schnee. Der Sturm wird immer stärker. Die Mopeds sind kaum noch auf der Straße zu halten, selbst bei gedrosseltem Tempo. Jochen erzählt mir später, er sei auf die Gegenfahrbahn geweht worden.

Grotli besteht aus kaum mehr als einem Hotel. Keine Hütten, kein Platz für uns. Was nun? Weiter? Bei dem Wetter am Berg Dalsnibba vorbei? An der Abzweigung bleiben wir stehen und beraten uns. Wir reden kurz mit einem deutschen Harley-Gespannfahrer. Der traut sich, drei andere Motorradfahrer auch.

Also los. Eigentlich ist es gar nicht so schlimm. Die mehrere Meter hohen Schneemauern beiderseits der Straße schützen vor dem Seitenwind. Keine Lust mehr auf Fotopause, bloß durch. Ein Reisebus, der lange an der Abzweigung gestanden hat, traut sich jetzt hinter uns auch hinauf. An einer unbeschilderten Abzweigung frage ich den Fahrer, wo es lang geht. Und ob er mal vorfahren will. Nein, wir sollen. Also weiter. Die Abfahrt über eine lange Serpentinenstraße macht sogar trotz des schlechten Wetters Spaß. Gut, daß wir jetzt nicht den Bus vor uns haben. Direkt am Ende der Serpentinen finden wir eine Hütte. Die Anlage ist Spitze und drei Zimmer mit fließend warmem und kaltem Wasser für 200 Kronen ist fast geschenkt. Rundum an den Wänden des Talkessels zähle ich neun Wasserfälle.

Der Vermieter sagt, es sei Nordwind und Schnee bis in die Niederungen angekündigt. Hoffentlich sitzen wir hier morgen nicht fest.

Samstag, 03.06.00

Oben auf den Bergen ist tatsächlich etwas Neuschnee zu erkennen. Hier unten liegt zum Glück nichts davon. Von der Hütte aus ein paar Kehren weiter abwärts der erste Blick auf den Geirangerfjord. Sieht ganz nett aus, aber die Berge sind wolkenverhangen und der ewige Regen... In Geiranger telefonieren wir kurz nach Hause. Dann zur Fähre durch den Fjord. Dauert noch, bis die nächste kommt. Und ob das angesichts des Preises überhaupt lohnt bei dem Wetter?

Geirangerfjord

Also lieber über den Berg. Diesmal nicht ganz so hoch wie bei den letzten Bergübergängen. Schon geht es wieder bergab in einen Tunnel hinein. Am Tunnelausgang plötzlich Schneematsch auf der Fahrbahn. Bin ganz schön erschrocken.

Im Tal die nächste Fähre. Wir treffen das Harley-Gespann wieder. "Wollt ihr auch über die Trollstigen?" Wollen wir. Könnten gesperrt sein, wegen Schnee. Wir versuchen es trotzdem. Nach 25 km Anfahrt prangt auf einem orangefarbenen Schild "Trollstigen closed".

Trollstigen closed

Die 25 km müssen wir wieder zurück (bisher alles im Regen). Der Tankwart unten erzählt, vor einer Woche hätten sie noch 25 Grad gehabt. Jetzt müssen wir außen um den Berg herum. Alesund ist dort nicht mehr weit, sollten wir eigentlich mitnehmen. Aber wir haben die Nase voll vom Sightseeing im Regen. Als Trondheim ausgeschildert ist, hält uns nichts mehr. Vielleicht schaffen wir das ja heute noch.

Doch dann: erste Fähre, eine Brücke mit Wegzoll, nächste Fähre, etliche Kilometer Tempo 60 (und das soll eine Europastraße sein). Das geht in die Zeit. 17 Uhr, Tanks bald leer, kaum Hütten und wenn, dann Familienheime für 400 bis 450 Kronen. Endlich eine Tankstelle, aber am Wochenende nicht besetzt. Nur ein Kartenautomat. Aber was für eine Karte braucht man dafür? Eine ältere Frau bietet uns an: "You give me money, I take my card." Wir nehmen dankend an. Hilfsbereite Menschen, die Norweger.

40 km weiter endlich eine passende Hütte für 300 Kronen. Eigentlich hätten wir noch eine Weile so weiterfahren können.

Sonntag, 04.06.00

Heute ist das Wetter besser, dafür aber kälter. Es regnet nur ab und zu, so z. B. in Trondheim. Wir sehen uns gerade mal den Dom an, und den auch nur von außen. Drinnen ist Gottesdienst, schließlich ist Sonntag morgen.

Dom in Trondheim

Nach einem kleinen Schlenker durch die Stadt sind wir bald wieder auf der E6. Es geht ganz gut voran. Wegen der Kälte brechen wir aber schon um halb fünf ab. Hohe Berge und tiefe Fjorde gibt es nicht mehr. Alles ist flacher geworden. Nach wie vor aber links und rechts Schnee auf den Höhen.

die ersten Rentiere

Montag, 05.06.00

Morgens wieder erst um elf weggekommen. Noch etwas Regen, dann trocken, etwas wärmer als am Vortag. Wir kommen gut voran. Fotopause am Polarkreiszentrum. Das liegt ziemlich hoch. Man hat eine schöne Aussicht auf eisige Berge.

Polarkreiszentrum am Polarkreis am Polarkreis

Wir treffen ein kleines italienisches Pärchen auf einer riesigen GS1100. Die waren schon über Finnland am Nordkapp.

Wir übernachten in Fauske. Haben entschieden, nicht wie ursprünglich geplant die Fähre von Bodö zu den Lofoten zu nehmen, sondern eine kürzere.

Dienstag, 06.06.00

In Fauske "früh" weggekommen (so gegen halb zehn). Es ist trocken und windstill.

unterwegs zu den Lofoten

Mit viel Glück kriegen wir gerade noch die Fähre Skudvik-Svolvaer. Kostet 99 Kronen. Bei sonnigem Wetter ist die Überfahrt traumhaft.

Überfahrt zu den Lofoten

In Svolvaer angekommen fahren wir erst ein Stück nach Süden, um ja nichts von den Lofoten zu verpassen. Doch dort wird erstens das Wetter schlechter, und zweitens haben wir keine Lust, in die "falsche" Richtung zu fahren. Schließlich wollen wir ja zum Nordkap.

Berg Hoven

Wir nehmen noch einen Blick auf den Berg Hoven mit, dann drehen wir um in Richtung Norden. Nördlich von Svolvaer schon wieder eine Fähre. Um zehn Minuten verpaßt. Die nächste geht erst um 19:15 Uhr. Das heißt, über eine Stunde in der Kälte warten, während ein LKW-Fahrer seinen Diesel laufen läßt und sich in seine warme Koje legt. Endlich kommt die Fähre. Zum Glück gibt es an Bord Kaffee. Der baut uns wieder auf.

Ein Stück weiter wieder blauer Himmel. Ab und zu ein Fotostop, ansonsten könnten wir immer weiterfahren, schließlich wird es hier nicht einmal dunkel.

Hadselbrücke

Um viertel vor zehn siegt die Vernunft. Wir bekommen eine schöne Hütte zwischen schneebedeckten sonnenbeschienenen Bergen, ein wunderbares Panorama.

Bergpanorama

Um Mitternacht sind die Bergspitzen immer noch in der Sonne. Das war der erste ganz trockene Tag.

Mittwoch, 07.06.00

Das Wetter ist heiter bis wolkig und trocken. Wir sind schon um viertel nach acht losgefahren und haben ordentlich Strecke geschafft. Über den Tjeldsund verlassen wir die Lofoten/Vesteralen.

Tjeldsundbrücke Wegweiser

Spät abends kommen wir in Alta an. Statt einer Hütte bekommen wir auf einem Campingplatz ein Zimmer für 235 Kronen.

Donnerstag, 08.06.00

Um zehn in Alta losgefahren. Nach Norden geht es 80 km größtenteils über eine einsame kahle Hochebene (über 400 m hoch). Dort liegt noch viel Schnee und es ist saukalt. Dann wieder wie sonst an den Ufern entlang und hin und wieder in Kurven über einen Bergrücken. Ab und zu laufen Rentiere auf der Straße herum, da muß man etwas aufpassen.

Hochebene Hochebene

Dann der Tunnel zum Nordkapp: Fast 7 km lang unterm Meer durch und 60 Kronen teuer (zurück nochmal dasselbe).

Das Nordkapp selbst kostet 175 Kronen Eintritt, alles inklusive. Zwei Biker aus der Nähe von Rostock waren über Schweden in nur zweieinhalb Tagen angereist, für uns unvorstellbar.

Nordkap Nordkap Nordkap

Da stehen wir nun auf dem Nordkapp-Felsen und schauen Richtung Norden auf das Meer hinaus. Zu sehen gibt es eigentlich nichts, der Horizont verschwindet im Dunst. Wir machen die üblichen Fotos, sehen uns die Videoshow an und schreiben ein paar Postkarten.

Wir rechnen nicht damit, daß es in den nächsten Stunden aufklart. Um 18 Uhr daher nichts wie weg vom Nordkapp. Keinen Abstecher mehr nach Hammerfest. Noch kurz einkaufen in Honningsvag, dann zieht es uns unwiderstehlich Richtung Süden.

Honningsvag

Auf dem Rückweg ist die Hochebene vor Alta noch kälter und noch einsamer. Wir erreichen den Campingplatz vom Vortag erst nach 22 Uhr, bekommen ein etwas größeres Zimmer für 250 Kronen.

Die Mitternachtssonne meint es nicht so gut mit uns und versteckt sich hinter den Wolken.

Freitag, 09.06.00

Obwohl schon um sechs aufgestanden kommen wir doch erst nach zehn weg. Dann fahren wir aber straff durch bis Kautokeino. Dort brauchen wir erstmal zwei Stunden fürs tanken, Jochens Kette spannen, letzte norwegische Kronen ausgeben. Noch 43 km bis zur finnischen Grenze. Die Landschaft ist flacher geworden, der Himmel sieht schon so aus, wie ich ihn von Finnland kenne: viele kleine Wölkchen am klaren Himmel, endlos hintereinander gestaffelt.

Nach der finnischen Grenze sind endlich die 100 km/h erlaubt, die wir ohnehin bei Tempolimit 90 fahren. Gerade drehe ich auf, da trabt ein ganzes Rudel Rentiere auf die Straße. Das Leittier hat eine Glocke am Hals, wie die Kühe in Bayern.

Polarkreis in Finnland
Polarkreis in Finnland

Bis zur Ostsee geht es durch Finnland. Ohne nochmal getankt zu haben sind wir plötzlich über die schwedische Grenze. In Kalix versuchen wir es notgedrungen mit einem Tankautomaten. Der schluckt zwar anstandslos meinen 100-Kronen-Schein, spuckt aber kein Benzin aus. Eine Schwedin tankt am selben Automaten, nur eine andere Benzinsorte. Bei ihr klappt es. Mit dem Handy versucht sie für uns jemanden vom Tankstellenpersonal zu erreichen, leider vergeblich. Drei junge Schwedinnen erzählen, ihnen sei das schon zweimal passiert. Nachdem auch sie telefonisch nichts erreichen, geben sie uns 100 Kronen aus eigener Tasche. Sie würden das Geld am nächsten Morgen vom Tankstellenbesitzer zurückbekommen. Herzlichen Dank an die jungen Damen in Kalix!

Samstag, 10.06.00

Zwei Tankstopps weiter (nachts um halb eins) klappt es dann auch bei uns mit dem Tanken am Automaten. Am frühen Morgen halten wir auf einem Rastplatz zur Kettenpflege und Ölkontrolle. Die Mücken fressen uns fast auf. Etwas später auf einem anderen Rastplatz schlafen wir ein paar Stunden auf den Bänken. Anschließend frühstücken wir auf denselben.

Rast- und Schlafplatz

Der direkte Weg über Örebro erweist sich als langwierig. Über Stockholm wäre es vermutlich schneller gegangen.

Ich beobachte bei mir selbst ein interessantes Phänomen: Nach stundenlanger Fahrt wird aus dem dumpfen Rauschen des Fahrtwindes eine Melodie. Ist das ein erstes Anzeichen von Wahnsinn oder von Taubheit aufgrund der Lärmbelastung? Die Töne wollen mir jedenfalls nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ich kann sie nur durch lautes Singen unter dem Helm unterdrücken (hört ja ausser mir keiner).

Abends halten wir kurz an meinem Stamm-Rastplatz am Vätternsee. Erinnerungen an den letzten Finnlandurlaub werden wach.

Sonntag, 11.06.00

Am frühen Morgen nächtigen wir irgendwo in Südschweden nochmals ein paar Stunden auf Rastplatzbänken.

Schlafplatz

Kurz vor Helsingborg wird noch mein Benzinkanister aufgeteilt. Den hatte ich übrigens längst im unteren Fach meines Tankrucksacks untergebracht, da war die Gewichtsverteilung wieder ok.

Die Fähre nach Helsingör kostet 100 schwedische Kronen. Dann geht es über gut ausgebaute dänische Autobahnen nach Rödby. Kurz vor der Fähre muß Jochen auf Reserve umschalten. Warum verbraucht die F650 auf einmal so viel Benzin?

Die Fähre nach Puttgarden kostet 160 dänische Kronen. An den hektischen Verkehr auf deutschen Straßen muß ich mich erst wieder gewöhnen.

Wegen Jochens erhöhtem Benzinverbrauch verkürzen wir die Tankstopps auf ca. 160 km. Auf einem Rastplatz wird uns klar: Jochens Kette zerbröselt sich langsam, überall kleben kleine Metallspäne. Daher kommt der hohe Verbrauch. Mit maximal Tempo 120 hält sie aber noch bis Wuppertal durch.
 

Fazit:

Auch wenn das Wetter in diesem Jahr besonders schlecht war, ist Anfang Juni als Reisezeit offenbar etwas früh. Landschaftlich lohnt sich Südnorwegen am meisten. Das Nordkapp kann man sich eigentlich sparen, aber man muß halt mal dort gewesen sein.

Strassen: Alle Durchgangsstraßen sind geteert, und zwar in der Regel mit einem hellen, selbst bei Nässe sehr griffigen Material. Schotterpisten kommen nur noch ausnahmsweise vor. Die meisten Straßen sind recht schmal und kurvig, oft auch etwas hubbelig. Aber das macht ja gerade Spaß. Man sollte mit einem Durchschnitt von ca. 50 Km pro Stunde rechnen, das sind am Tag nicht viel mehr als 300 km. Auch mit dem Motorrad hängt man schon mal eine Weile hinter einem Wohnmobil fest.

Übernachtungen: Im Prinzip kann man das Zelt zu Hause lassen, denn Hütten sind überall reichlich vorhanden. Allerdings haben wir mit 200-300 Kronen wohl noch Vorsaisonpreise bezahlt. Kochgeschirr und Schlafsack muß man mitbringen.

Nachtrag im September 2002: Inzwischen haben die Preise ordentlich angezogen. Eine Hütte für 2 Personen kostet im August 2002 ca. 350 Kronen, für 4 Personen ca. 450 Kronen. Selbst die Hütte vor Geiranger, die 2000 nur 200 Kronen gekostet hat, kostet 2002 400 Kronen. Fürs Zelten haben wir dagegen nur 80 bis 170 Kronen bezahlt.

Kleidung: Wasserdichte und warme Kleidung ist Voraussetzung. Ich habe gute Erfahrungen mit PVC-Regenzeug und Gummi-Überhandschuhen gemacht. Textile Gewebe sind auf die Dauer meist doch nicht dicht. Meine Regengamaschen waren nach ein paar Tagen durchgelaufen, hier sollte man ein paar Mark mehr für eine feste Sohle anlegen. Nicht vergessen sollte man auf so langen Touren einen kleinen Vorrat an Ohrstöpseln.

Gepäck: Meine Kawa-Koffer sind nicht völlig dicht, aber der Inhalt war zusätzlich ausreichend in Plastiktüten verpackt. Besonders bewährt haben sich dabei verschließbare Gefrierbeutel.  Jochens Alukoffer sind zwar dicht, müssen aber zur Montage und Demontage am Motorrad jeweils geöffnet werden. Das ist bei Regen nicht so praktisch. Völlig trocken war mein Billig-Topcase und die PVC-Gepäckrolle. Der Inhalt des Tankrucksacks war - soweit erforderlich - in Gefrierbeutel verpackt. Selbst die Videokamera hat die Tour dort unbeschadet überstanden. Auf den Tank hätte ich besser eine Schutzfolie geklebt, denn nach ca. 40 mal ab- und aufbauen des Tankrucksackes ist der Lack hinüber.

Karten: Hatten wir zwar mit, sind aber fast ausschließlich nach dem vorher vorbereiteten Roadbook gefahren. Dies war in Gefrierbeutel verpackt im Kartenfach des Tankrucks untergebracht.

Motorrad: Meine 750er Zephyr (damals noch auf 34 PS gedrosselt) ist für diese Strecke hervorragend geeignet. Verbrauch: knapp 5 Liter auf 100 km (Jochens F650 war noch etwas sparsamer). Wichtigstes Plus auf dieser Tour: Die Zephyr läßt sich von Seitenwind kaum aus der Ruhe bringen. Minus: Die zu weiche und für mich zu niedrige Sitzbank. Einzige Störung: Das Zündschloß hat eine Weile gehakt.

meine Zephyr am Nordkap

Roadbook ansehen?


Fragen? Anregungen? Schreib mir doch eine Mail

home